Warum ist Dornum eine Herrlichkeit?

Wir Einheimischen wissen es natürlich oder haben doch wenigstens eine vage Ahnung, wieso Dornum eine Herrlichkeit ist. Aber die sommers hier flanierenden Touristen finden oft genug Dornum einfach nur herrlich und haben keinen Begriff von der Sache. Erklären wir's ihnen – und springen wir kurz zurück ins Mittelalter.

Überall im Reich gab es territoriale Herrschaften mit ausgeprägten Feudalstrukturen. Anders in Ostfriesland. Hier waren die "freien Friesen" (Eala Frya Fresena!, Lever dood as Slaav!) in genossenschaftsähnlichen Landesgemeinden mit prinzipiell gleichberechtigten Mitgliedern organisiert. Auf Dauer wurden aber manche Familien gleicher als gleich, kamen zu Macht und Einfluss. So löste sich im Verlauf des 14. Jahrhunderts allmählich die egalitäre Ordnung zugunsten der Hovetlinge auf, die nun ihren jeweiligen Geltungsbereich als dynastischen Besitz behaupteten. Und natürlich gerieten diese Häuptlinge untereinander immer wieder in bewaffneten Streit, indem sie konkurrierende Hegemonialansprüche geltend machten. Das mächtigste Häuptlingsgeschlecht waren zunächst die tom Brok aus Marienhafe, aber es gelang ihnen nicht, die Vorherrschaft über ganz Ostfriesland zu erringen. Das schafften später erst die Cirksena aus Greetsiel. Ulrich Cirksena wurde 1464 von Kaiser Friedrich III. in den Reichsgrafenstand erhoben und mit Ostfriesland als Reichsgrafschaft belehnt. Aber so voll und ganz konnten auch die Cirksena ihre Machtansprüche nicht durchsetzen. Sie mussten auf die althergebrachte Autonomie der Landesgemeinden Rücksicht nehmen und mit den anderen Häuptlingen Kompromisse schließen, d.h. ihnen einige ihrer überkommenen Privilegien garantieren.

Dornum war der Sitz gleich mehrerer, eher nicht sonderlich bedeutender Häuptlingsgeschlechter. Das waren zunächst die Attena, dann die Kankena, dann die Beninga auf der Osterburg sowie die von Closter auf der Norderburg, dem heutigen Schloss. Aber immerhin war es den Kankena um 1468 gelungen – also ein paar wenige Jahre vor der Belehnung Ulrich Cirksenas –, als Herren Dornums eine Herrlichkeit mit eigener Gerichtsbarkeit zu etablieren. Den Herrlichkeitsbesitzern oblag der Schutz des inneren und des äußeren Friedens, dafür waren ihnen Abgaben zu zahlen sowie Hand- und Spanndienste zu leisten. Sie verfügten über eigenen Landbesitz und übten das Burg- wie das Patronatsrecht aus. Letzteres heißt: Als Kirchenpatrone hatten sie das Recht, die Pfarrämter und die denen untergeordneten Lehrerstellen an den Konfessionsschulen zu besetzen.

Die Herrlichkeit Dornum hatte über Jahrhunderte Bestand. Es blieb dem Königreich Hannover vorbehalten, dem Ostfriesland durch den Wiener Kongress zugesprochen worden war, die Herrlichkeit erst 1817 der Jurisdiktion des Amtes Berum zu unterstellen und dann 1859 in dieses Amt zu integrieren. 1885 schließlich schafften die Preußen die alten Ämter ab und bildeten den Landkreis Norden. Darin war dann Dornum bloß noch ein Kirchspiel, ein Flecken. Mit der kommunalen Gebietsreform von 1972 wurde Dornum zusammen mit Nesse und Dornumersiel Teil einer Samtgemeinde, 2001 dann, unter Einbeziehung weiterer Dörfer wie etwa Roggenstede, der Hauptort der gleichnamigen Einheitsgemeinde.

Aber diese bundesdeutschen Verwaltungsakte dürften unsere Touristen nicht weiter interessieren.

Wer jedoch mehr über die Herrlichkeitsgeschichte wissen will, sei auf Georg Murra-Regner verwiesen, der diese ganze Geschichte haarklein kennt und auch in seiner Schrift Dornum, eine Herrlichkeit (Selbstverlag; in der Synagoge erhältlich) zur Darstellung gebracht hat.